Flugparalyse/-lähmung und Völkerverlust
Flugparalyse und Völkerverlust – ein Bericht von Juan Ramón Gentil Gonzáles 20.12.2024, Spanien
Anmerkung der Redaktion:
Juan Ramón Gentil Gonzáles berichtet in diesem Artikel darüber, in welchem Zusammenhang er den Druck von Vespa velutina nigrithorax an Bienenständen sieht in Bezug auf entstehende Flugparalsyse (Paralyse = Lähmung) und damit den Einfluss auf die Bienenentwicklung und Gesundheit. Lest selbst:
„Die Flugparalyse ist das A und O. Ihr müsst begreifen, wie es funktioniert. Du musst den Imkern in Deutschland das erzählen, du musst sie warnen. Schutzkuppeln (= „Maulkörbe“) über den Eingängen die sind schon gut. In gewissen Situationen wird verhindert, dass die Vespa velutina nigrithorax (Vvn) hineinkommen. Aber was nützt es den Bienen, wenn sie selber ja nicht heraus kommen um sich versorgen, dann sterben sie an Hunger oder an Schwäche. Da sind die Krankheitswege natürlich vorhanden. Ja da kommen allerlei Viren ohne Probleme hinein, und das muss man verhindern.
Die Varroa hat leichtes Spiel, wenn da eine Lücke entsteht – entweder natürlich oder durch Vvn. Da vergeht eine ja Weile, bis die Königin wieder in die Brut geht.
Was passiert da? Die Bienen veraltern, und die neue sind noch nicht da. Das gibt eine Riesenlücke. Die alten Bienen sterben ab, und es gibt keine neuen, die die Brut pflegen. Also das Volk geht sehr schnell ein, und dann ist es natürlich ein leichtes Spiel für Vvn noch mehr zu blockieren. Da kommt nichts raus, nichts hinein, und dann steigt der Stress so enorm, das kannst du spüren.
Wir haben so viele Völker verloren. Also ich würde jedem Imker raten, wenn er Vvn hat … wenn du mehrere Vvn vor jedem Volk hast, dann hast du eine Blockierung, Flugparalyse … da rate ich jedem Imker wenigstens, wenn er sonst nichts anders kann, mit einem Badmintonschläger sich davor stellen und paar hunderte Vvn totschlagen. Ich habe innerhalb von drei Stunden über 500 Vvn an einem Stand beseitigt, damit sich die Blockierung auflöst. So können die Bienen wenigstens aufatmen und vielleicht rausgehen.
Die Flugparalyse in Verbindung mit dem Klimawandel und den Trachtlücken*: wenn die Königin aufhört zu legen, weil keine Tracht hineinkommt, dann kommt noch zusätzlich der Druck durch die Vvn. Was passiert ist klar? Da kommt kein Jungvolk nach. Da sind nicht genug Bienen vorhanden zum Pflegen und dann nimmt natürlich die Volksstärke rapide ab. Das begreift man eben nicht. Da ist dann auch noch Varroa dabei. Das ist ganz klar, die ist da. Die hat man ja vielleicht noch nicht behandelt. Und dann belegt sie natürlich die wenige Brut vollkommen. Ja und da heißt es dann, das war die Varroa. Nein nein, das ist nicht die Varroa alleine. Klar ist die Varroa dann das Offensichtliche. Aber es ist das ganze System, wie sich das entwickelt mit den Trachtlücken und der Vvn, die blockiert. Dann ist es natürlich ein Volk, das nicht arbeitet und keine Tracht einträgt. So ist ein Volk natürlich zum Sterben verurteilt, das ist ganz klar.
Wir haben durch dieses System in einem Jahr 50 Völker verloren. Wir hatten nicht begriffen, wie es passiert ist. Bis wir das Ganze analysiert haben. Das kann nur so sein. Mit den Jahren haben wir erlebt, wie es immer wieder passiert. Das ist dieser enorme Stress. Die Tracht kommt nicht hinein, da muss man nachfüttern und füttern, füttern, füttern und hoffen…. Durch irgendwelche Mittel muss man die Völker deblockieren, damit sie wenigstens ein paar Stunden arbeiten können. Pollen zum Beispiel, wenn keine Pollen in die Völker kommen, das ist das Schlimmste, was es gibt. Nektar nicht, aber wenn kein Pollen reinkommt, ist das der Tod **.
Wenn Vvn in das Bienenvolk reingehen, dann hat dieses Volk bereits verloren – schon viel früher, durch die Belagerung. Im Herbst, wenn die Völker der Vvn enorm groß sind, kommt plötzlich das ganze Vvn-Volk an den Stand. Wir erleben das oft, von einer Woche auf die andere, ist das Bienenvolk dann tot. Die Vvns brauchen dann enorm viele Proteine, aber auch Nektar. Wenn dann eine Trachtlücke ist, holen sie den Honig aus den Völkern, da können sie sich leicht ernähren.
Wenn du jetzt mehrere Stunden am Stand bist und die Vvn mit dem Schläger sichtbar erledigt hast, dann kommen die (erst einmal) nicht wieder. Sie beobachten dich. Sie fliegen über dich und suchen nach Möglichkeiten. Und wenn du da länger an einer Ecke des Standes nicht gewesen bin, dann sind sie plötzlich dort. Sie sind ganz gerissen***.“
Zitat Juan Ramón Gentil Gonzáles zu Flugparalyse und Völkerverlust 20.12.2024
Ergänzung ohne Veränderung am Originaltext zum besseren Verständnis der Leser/innen durch Anmerkung
der Redaktion der Seite Velutina-Army wie folgt:
*Problem unerwartete Trachtlücken: Tracht = Futter
Das bedeutet, durch fehlende konstante Futterversorgung kommt es zu Mangelentwicklungen im Bienenvolk.
Zum einen ist für die bestehende Bienenbrut plötzlich zu wenig Versorgungsmaterial da, zum anderen passt die Bienenkönigin ihr Legeverhalten an das Vorhandensein oder die Abwesenheit + Abriss von Tracht = Futter an. Damit nimmt die Bienenmenge im Volk ab.
In einem normal verlaufenden Bienenjahr stellt das kein Problem dar, aber es stellen sich inzwischen unplanbare Änderungen an sensiblen Entwicklungspunkten ein.
Wenn es zum einen durch Klimaänderung (=trockener Sommer, kein Wasser, Blüten stellen die Nektarsekretion ein, Pollen stehen nicht wie gewohnt zur Verfügung durch verkürzte Vegetationsperioden) oder zum Anderen durch konstante Belagerung von Vvn am Bienenflugloch zu Futterabriss kommt, fällt das Bienenvolk aus dem jahreszeitlichen Tritt heraus und kann das unter Umständen nicht mehr ausgleichen.
**Pollen:
Pollen sind als Eiweißquelle u.a. die Grundversorgung für die Bienenbrut.
***Lernverhalten von Vvn:
Vvn lernt sehr schnell und ist ein guter Beobachter, sie passt ihre Strategie fortlaufend an. Ziel dabei ist, ein effizientes Erreichen ihrer Futterquelle. Sie ist eine Jägerin mit wachen Sinnen. Wenn sie bemerkt, das an einem Bienenstand Maßnahmen ergriffen werden, merkt sie sich Gestalt, Gegenstände, Uhrzeiten von Störungen und Gerüche.
Genauso ist sie aber auch mit großer Begeisterung konditionierbar, z.B. für die in anderen Beiträgen angesprochenen Dochttopfmethode, eine Methode mit der Nektarholerinnen auf Dochttöpfen zum Monitoren eingesetzt werden können – denn sie entwickeln auch eine ausgesprochene Vorliebe für Lockmittel und liebt ihren Dochttopf als zuverlässig verfügbares Ziel. Einmal eingeflogen lässt sie sich nicht dran stören, auch wenn jemand daneben steht. Wenn der Dochttopf leer ist und sie die Person kennt die diesen befüllt, fliegt sich sogar gelegentlich dem Bringer neuen Futters beim Auffüllen hinterher. Eigentlich widersprüchlich, aber so ist sie.